Gesamtanstieg: 1271 m
Gesamtzeit: 04:13:54
Den fürchterlichen Krümelkaffee, den ich nach dem Aufstehen kreiert habe, schaffe ich nicht ganz. Danach schlängelte ich mich durch die noch dunklen Gassen Granadas. Die Putzteufel und ein paar verirrte Partygänger tauchen unter dem gelblichen Licht der Laternen auf. Ab und an kommt eine finstere Gestalt daher. Ich fühle mich heute früh in dieser Stadt nicht wohl. Ich komme mir deplatziert vor in dieser bunten Touristenwelt. Wenn man dafür nach Granada fährt, ist das ok, aber als Pilger ist das was anderes. Markierungen kann ich absolut keine entdecken. Zum Glück hab ich den GPX Track. Aber auch damit verlaufe ich mich mehrfach. Kurz vor dem Vorort Maracena ist plötzlich Schluss mit dem Weg. Ich stehe vor einem hohen Zaun, der das Feld vom Weg trennt. Mit Rucksack unmöglich zu überwinden und keine Ahnung, was danach kommt. Ich blicke ratlos auf die Karte. Irgendwie gibt’s hier keinen Umweg. Die einzige Möglichkeit sind 500 m Autobahn und 1 km Landstraße, um wieder auf den Weg zu kommen. Ein weiteres Mal bin ich sehr froh über meinen reflektierenden Rucksacküberzug. Nach einer Weile bin ich dann wieder auf dem Weg und ein paar verblichene Pfeile finde ich auch. Die Gegend ist nicht schön, von Hundekot verdreckte Gehwege, Müll, Unrat. Hier wohnt wohl nicht die obere Schicht. Schnell bin ich heute früh. Die ersten 15 km sind in 2 Stunden geschafft. Nun sitze ich in Atarfe. Der Ort ist größer, als ich dachte. Es gibt also auch eine offene Bar, und so trinke einen recht ordentlichen Kaffee. Nachher muss ich langsamer gehen, die Beine pochen schon und ich hab noch ein Stück zu gehen. Zumindest die Hunde lassen mich heute in Ruhe. Alles in allem bis jetzt der erste Tag wo ich nicht so sehr begeistert bin, aber von diesen Tagen gehören bei mir immer 1 oder 2 zum Camino. Am Nachbartisch zieht sich Einer einen riesigen Berg Churros rein, er sieht auch so aus, als würde er das jeden Tag tun. Zumindest seine Statur lässt das vermuten. Ich bezahle und gehe weiter. Der junge Kassierer will mein Trinkgeld nicht, sehe ich so abgerissen aus, dass er meint, ich hätte das nötiger? Wer weiß. Nun bin ich wieder etwas verwirrt, die Wegmarkierungen sind wieder gut sichtbar, gehen aber in eine komplett andere Richtung als mein GPS-Track es mir sagt. Ich entscheide mich für die Pfeile. Das Abweichen der Route hier, der eigenartige Verlauf der Pfeile und das nicht vorhanden sein Dieser in Granada lässt mich zu dem Schluss kommen, dass die Strecke geändert wurde. So etwas kommt schon mal vor, wenn ein Grundstückseigentümer die Überquerung plötzlich nicht mehr gestattet. Das erklärt auch, warum ich in Granada vor diesem Zaun stand und nicht mehr weiter kam. Aus Atarfe heraus geht es wieder durch eine unschöne Industrievorstadt, eine endlose, menschenleere und autofreie Straße entlang direkt neben der Bahnstrecke. Die Sonne brät mir wieder den Pelz. Vielleicht laufe ich heute nur wegen des Fahrtwindes so schnell. Gepäck habe ich heute auch 2 kg zu viel. Das kommt davon, wenn man die Augen größer als den Rucksack hat. Eine 1,5-Liter-Flasche Wasser und eine Dose Bier trage ich sinnloserweise durch die Gegend. Aber sie stehenzulassen war ich zu geizig. Auf dem Feld neben dem Weg kratzen ein paar Olivenbauern die krustige, trockene Erde um die Bäume von links nach rechts, als ob sie auf Wasser stoßen würden. Pinos Puente kommt in Sicht und ich höre extrem laute Musik, woher sie kommt kann ich nicht orten. Das muss von der anderen Seite der Bahnstrecke kommen. In der Ferne sehe ich bereits die Berge, die ich morgen überqueren darf. Über eine Straßenbrücke und ein paar Straßen gehe ich dem Schatten entgegen und stehe schon vor dem Hotel Montserrat. Dass ich 11 Uhr frisch geduscht beim Frühstück sitze und bereits meine 24 km weg habe, kann ich kaum glauben. Das war ein Sprint heute. 24 km in 3,5 Stunden mit Übergepäck. Ich glaube, das ist Rekord für mich. Ich ärgere mich aber kein bisschen, denn heute soll es wieder sehr heiß werden, während ich im klimatisierten Zimmer nach einem Mittagsbier einpenne. Sogar Wäsche hab ich schon fertig. Da lasse ich mal fett den Deutschen heraushängen heute. Das Frühstück fällt reichlich aus. Ich brauche morgen Kraft. Die Strecke geht 15 km geradeaus, um dann steil 700 Höhenmeter auf 4 km Länge in den Himmel zu steigen. Das wird hart, ich weiß es leider, da ich schon Videos zu dieser Strecke gesehen habe. Na gut, so weit erstmal von der Pilgerfront.
© schlaatz